Kinderkrebs – Abschied nehmen - Kinderkrebsschweiz
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Kinderkrebs – Abschied nehmen

In der Schweiz erhalten jedes Jahr rund 350 Kinder und Jugendliche die Diagnose Krebs. Die meisten von ihnen können geheilt werden, dennoch überleben einige Kinder die Krankheit nicht. Der Verlust reisst eine tiefe Lücke ins Leben der betroffenen Familien, hinterlässt Verzweiflung und das Gefühl von Hilflosigkeit. Der Trauer Raum zu geben, Unterstützung zu holen und anzunehmen, kann helfen, den Schmerz Schritt für Schritt in das eigene Leben zu integrieren und wieder Kraft zu schöpfen. 

Wenn ein Kind an Krebs erkrankt, gerät die Welt der ganzen Familie aus den Fugen. Von einem Tag auf den anderen bestimmen Spitalaufenthalte, Therapien und ein emotionaler Ausnahmezustand zwischen Hoffen und Bangen den Alltag. Die Kinderkrebsmedizin hat in den letzten Jahrzehnten grosse Fortschritte gemacht, doch nicht immer führen die intensiven Behandlungen zum Ziel. Für manche Familien kommt der schmerzliche Moment, in dem klar wird: Die Therapie schlägt nicht an, die Hoffnung wird sich nicht erfüllen. Dann stellt sich die Frage, wie die verbleibende Zeit gestaltet werden kann. In dieser Phase rücken neben der medizinischen Begleitung zunehmend Nähe, Geborgenheit und Lebensqualität in den Mittelpunkt.

Wenn Heilung nicht mehr möglich ist – pädiatrische Palliativversorgung

Viele Eltern fürchten verständlicherweise das Wort «palliativ», weil es unmittelbar mit Sterben verbunden wird. In vielen Fällen beginnt pädiatrische Palliative Care nicht erst in der letzten Lebensphase, sondern kann bereits frühzeitig in den Behandlungsverlauf integriert werden.  Sie schenkt Sicherheit, lindert Ängste und eröffnet Möglichkeiten, die verbleibende Zeit bewusst zu gestalten. Im Zentrum stehen dabei stets die Lebensqualität und Begleitung der ganzen Familie. Für Kinder kann das bedeuten: spielen, lachen, Nähe erleben, ein Stück Alltag zurückgewinnen. Für Eltern beinhaltet es, nicht alles alleine tragen zu müssen. Im Unterschied zur Erwachsenenmedizin betrifft die pädiatrische Palliativbegleitung Kinder und Jugendliche, Menschen also, die am Anfang ihres Lebens stehen. Sie haben Freundschaften, gehen zur Schule, planen ihre Zukunft. Wird dieses Leben durch eine Krankheit wie Kinderkrebs verkürzt, gerät das gesamte Familiensystem ins Wanken. Pädiatrische Palliative Care begleitet die betroffenen Familien deshalb nicht nur medizinisch, sondern auch psychosozial und ethisch. Sie nimmt das Kind mit seinen Wünschen und Bedürfnissen ernst und begleitet Eltern sowie Geschwister – bis zum Tod des Kindes und darüber hinaus. 

«Eine frühzeitige palliative Begleitung schafft Raum für das Leben»

Dr. med. Eva Bergsträsser, Leiterin der Pädiatrischen Palliative Care am Universitäts-Kinderspital Zürich

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Die Trauer ins Leben integrieren 

Trauer beginnt für viele Eltern nicht erst mit dem Tod des Kindes – sie ist oft schon während der Krankheit spürbar, wenn Hoffnungen schwinden und die Endlichkeit greifbarer wird. In dieser Zeit müssen die Eltern gleichzeitig Abschied nehmen und für ihr krankes Kind präsent sein. Sie müssen ihm und den Geschwistern das Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit vermitteln. Dies in einer Phase, die für sie selbst von grosser Unsicherheit, Angst und emotionaler Überforderung geprägt ist. Häufig beginnt das eigentliche Trauern erst nach dem Tod und der Beerdigung, wenn dafür mehr Raum entsteht. Der Trauerprozess verläuft nicht geradlinig, er verändert sich, ist manchmal überwältigend stark, dann wieder leiser und zurückhaltender. Doch die Trauer bleibt ein ständiger Begleiter und prägt das Leben der betroffenen Familien auf unterschiedliche Weise. Es geht nicht darum «loszulassen», sondern vielmehr darum, dem verstorbenen Kind einen neuen Platz in der Familie zu ermöglichen.

Verlust als Teil eines neuen Lebens 

Um diesen schwierigen Weg zu bewältigen, brauchen Familien vor allem Begleitung, die entlastet, annimmt und nicht bewertet. Viele Betroffene beschreiben, dass es hilfreich ist, Menschen an ihrer Seite zu haben, die zuhören, aushalten und in der Not da sind. Manche finden Halt in Ritualen oder bewusst gestalteten Erinnerungen, andere im Austausch mit Menschen, die Ähnliches erlebt haben. Wichtig ist, dass es keine «richtige» oder «falsche» Art der Trauer gibt, sondern dass jede Familie ihren eigenen Weg finden muss. Dafür braucht es Unterstützung, die sie darin bestärkt, ihrer Trauer Raum zu geben, Erinnerungen bewusst zu gestalten und den Verlust langsam in ihr Leben zu integrieren.

In der Schweiz stehen dafür verschiedene Angebote zur Verfügung. So bieten beispielsweise einige Mitgliedsorganisationen von Kinderkrebs Schweiz spezialisierte Trauergruppen oder Veranstaltungen für Eltern und teilweise auch Geschwister sogenannter Sternenkinder an. Auch die Palliative Care Teams in den Spitälern bleiben für viele Familien über den Tod des Kindes hinaus wichtige Ansprechpartner. Neben den professionellen Angeboten wie der pädiatrischen Palliativversorgung und anderen Initiativen bildet das soziale Umfeld eine ebenso wichtige Stütze: Indem Verwandte, Freunde, Nachbarn und die Schule betroffene Familien unterstützen, sie entlasten und präsent bleiben, helfen sie ihnen, Schritt für Schritt in den Alltag zurückzufinden – mit der Trauer als festem Bestandteil dieses neuen Lebens.

«Sina wollte, dass wir weiterleben»

Patricia und Benno Schnarwiler erzählen, wie sie versuchen, mit der Trauer um ihre Tochter Sina umzugehen, was sie sich wünschen und was anderen Eltern in einer ähnlichen Situation helfen könnte.

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Unterstützung durch das Umfeld – was Familien wirklich hilft

Das soziale Umfeld spielt eine entscheidende Rolle, wenn ein Kind an Krebs erkrankt oder daran stirbt. Oft sind es vermeintlich kleine Gesten und konkrete Hilfsangebote, die im Alltag entlasten: Einkaufen, Kochen, Fahrdienste oder die Betreuung von Geschwistern. Angehörige, Freunde und Nachbarn leisten zudem einen unschätzbaren Dienst, indem sie zuhören, aushalten, emotional begleiten und den Kontakt zu den Familien halten – ohne vorschnelle Ratschläge zu erteilen. Viele Eltern empfinden es als wertvoll, wenn das Kind nicht verschwiegen wird, sondern im Gespräch präsent bleibt. Auch Schule und Arbeitgebende können unterstützen, indem sie verständnisvoll und flexibel reagieren. Wenn es dem Umfeld gelingt, mit den Familien im Gespräch zu bleiben, sensibel nachzufragen, was sie brauchen und wie es ihnen geht, kann es entscheidend dazu beitragen, dass sie nicht das Gefühl bekommen, in ihrer Trauer alleingelassen zu werden und das verlorene Kind in Vergessenheit gerät. Hier bietet die neue digitale Infoplattform von Kinderkrebs Schweiz, die Unterstützung und Orientierung rund um das Leben mit und nach Kinderkrebs gibt, auch wertvolle Hinweise und Anregungen genau zu diesem Thema.

Trauernde Geschwister 

Geschwister leiden häufig mit – still und unerkannt. Für sie bedeutet die schwere Krankheit oder der Tod eines Bruders oder einer Schwester eine besondere Belastung. Ihre eigenen Bedürfnisse geraten leicht in den Hintergrund, während die Aufmerksamkeit verständlicherweise beim kranken oder verstorbenen Kind liegt. Viele Geschwister entwickeln Schuldgefühle – weil sie gesund sind oder sich gleichzeitig nach einem normalen Alltag sehnen. Ihre Trauer zeigt sich oft anders als bei Erwachsenen: Manche ziehen sich zurück, andere suchen verstärkt Aufmerksamkeit oder reagieren mit Wut. Entscheidend ist, dass ihre Gefühle ernst genommen und sie in die familiären Prozesse einbezogen werden – etwa durch offene Gespräche, gemeinsames Abschiednehmen oder die Möglichkeit, eigene Fragen zu stellen. 

«Jede Familie, jeder Abschied ist verschieden»

Dr. med. Kathrin Hauri ist Leitende Ärztin und Michèle Widler Psychologin des Pädiatrischen Palliative Care Teams am Universitäts-Kinderspital beider Basel (UKBB).

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Über Trauer sprechen – das Tabu brechen

Der Tod eines Kindes ist eine der schmerzhaftesten Erfahrungen – und darüber zu sprechen in unserer Gesellschaft noch immer stark tabuisiert. Viele Menschen fühlen sich unsicher im Umgang mit betroffenen Familien, meiden das Thema, schauen weg oder ziehen sich zurück, aus Angst, etwas Falsches zu sagen. Für die Eltern bedeutet dieses Schweigen jedoch oft eine zusätzliche Last, weil sie mit ihrer Trauer alleingelassen werden. Eine offenere Kultur im Umgang mit Krankheit, Sterben und Trauer könnte die häufig empfundene soziale Isolation verhindern und würde helfen, die Betroffenen zu stützen sowie Berührungsängste abzubauen. Viele verwaiste Eltern wünschen sich daher mehr Offenheit und Interesse, denn nur so können diese existenziell wichtigen Themen in unserem Leben und in unserer Gesellschaft auch ihren Platz finden.

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