Interview Nicolas Waespe Forschung - Forschung - Aktionsfelder - Kinderkrebsschweiz
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Interview mit 
Dr. med. Nicolas Waespe 

Facharzt FMH Pädiatrie, Schwerpunkt für pädiatrische Onkologie und Hämatologie, Forscher im Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern und an der Universität Genf.

Porträt Nicolas Waespe

© Foto Urs Jaudas

Herr Waespe, was genau versteht man unter klinischer Forschung?

Bei der klinischen Forschung steht der gesamte Mensch im Zentrum. Dies ist im Gegensatz zur Grundlagenforschung, die im Labor versucht herauszufinden, wie Krankheiten entstehen und wie diese behandelt werden können. Klinische Forschung kann einerseits beobachtend sein, indem Informationen von spezifischen Personen, wie Kinderkrebspatienten, gesammelt und ausgewertet werden. Daneben gibt es klinische Studien, die am Menschen Präventionsmassnahmen, Untersuchungsmethoden und Therapien sowie deren Effekte und Nebenwirkungen untersuchen. Die klinische Forschung ist von besonderer Bedeutung, da sie Informationen direkt an Menschen sammelt, um auf diese Weise zum Beispiel die Wirksamkeit neuer Therapien zu erforschen.


Warum ist die klinische Forschung im Bereich Kinderkrebs Ihrer Meinung nach besonders wichtig?

Krebs ist bei Kindern viel seltener als bei Erwachsenen. Durch eine gute und enge, internationale Zusammenarbeit zwischen Kinderonkologen und Forschern wurden grosse Behandlungsfortschritte erzielt. Krebsarten, die vor 50 Jahren bei den meisten Kindern tödlich verliefen, können heutzutage bei vier von fünf Kindern geheilt werden. Um noch mehr Kinder mit Krebs heilen zu können, muss die klinische Forschung fortgeführt werden. Gleichzeitig entwickeln zwei von drei geheilten Kindern aufgrund der intensiven Krebstherapie im Laufe ihres Lebens Spätfolgen. Auch auf diesem Gebiet müssen wir uns durch klinische Forschung verbessern, um Kinderkrebsüberlebenden eine Zukunft mit möglichst wenig gesundheitlichen Problemen zu ermöglichen. 


Wer führt die klinische Forschung in der Schweiz durch und wie ist sie praktisch organisiert?

In der Schweiz sind alle neun Spitäler, die Kinder mit einer Krebsdiagnose behandeln, in der Schweizerischen Pädiatrischen Onkologie Gruppe (SPOG) organisiert. Die SPOG organisiert und überwacht nationale und internationale klinische Studien. Der Einschluss von Kindern in klinische Studien ermöglicht es, sie mit besser angepassten, schonenderen oder neuen Methoden zu behandeln. Dies ist besonders dort wichtig, wo bisherige Therapien nicht erfolgreich waren oder zu Nebenwirkungen führten. 


Welche Fortschritte wurden im Bereich der klinischen Forschung in den letzten Jahren gemacht?

In den letzten 15 Jahren wurden zunehmend Behandlungsmethoden entwickelt, um besonders schwierig zu behandelnde Krebsarten zu therapieren oder Nebenwirkungen zu reduzieren. So wurden Medikamente entwickelt, die ganz gezielt genetische Veränderungen in Krebszellen angreifen. Andere Ansätze sind Methoden, die das Immunsystem gezielt nutzen, um Krebszellen zu zerstören. Diese modernen Therapien müssen im Rahmen von klinischen Studien durchgeführt werden, um herauszufinden, wie gut sie wirken und welche Nebenwirkungen sie haben.


Mit welchen Herausforderungen ist die klinische Forschung konfrontiert?

In der Schweiz erkranken pro Jahr circa 300 Kinder und Jugendliche an mehr als 60 verschiedenen Krebsarten. Diese Krebsarten unterscheiden sich von denen, die bei Erwachsenen auftreten. Somit gehört Kinderkrebs zu den seltenen Erkrankungen. Aus finanziellen Gründen verwendet die Pharmaindustrie viel weniger Mittel für die Forschung mit Kindern als mit Erwachsenen. Gelder vom Staat – zum Beispiel über die Forschungsförderung, Spitäler und Universitäten – helfen, reichen aber nicht aus, um die Kinderkrebsforschung in der Schweiz in genügendem Ausmass zu ermöglichen. Deswegen ist die Kinderkrebsforschung stark auf Spendengelder von Privatpersonen und Stiftungen angewiesen.


Welchen Risiken ist die klinische Forschung aufgrund dieser Herausforderungen ausgesetzt?

Wenn wir es Kindern mit Krebs weiterhin ermöglichen wollen, an nationalen und internationalen Studien teilzunehmen, muss die Schweiz genügend finanzielle Mittel zur Verfügung haben. Nur so können die Erforschung der Ursachen und Therapien von Kinderkrebs sowie die Verbesserung der Nachsorge nach Therapieende fortgeführt werden. Wenn wir dies schaffen, kann die Schweiz durch gute Organisation und Vernetzung an vorderster Front Kinderkrebsforschung betreiben.

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