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«Dass die Krankenkasse nicht zahlen wollte, war ein Riesenschock für uns»

Interview mit Shanna G., betroffene Mutter

Als die Tochter von Shanna G. sechs Jahre alt ist, stellen die Ärzte bei ihr einen Tumor in der Lunge fest. Heute ist sie wieder gesund, aber die Familie hat eine schwere Zeit hinter sich. Als die behandelnde Ärztin der Sechsjährigen ein neuartiges Medikament verschreiben will, weil ihr Tumor nicht auf die Standardtherapie anspricht, lehnt die Krankenkasse die Kostenübernahme zunächst ab. Die Einschätzung, dass das neue Arzneimittel nicht von Nutzen sei, wurde vom Vertrauensarzt der Kasse getroffen. Finja ist jedoch kein Einzelfall. Wenn die Erstbehandlung nicht anschlägt und der Krebs wiederkommt, kommt es laut Kinderonkologen in 50 Prozent der Fälle zu einer erstmaligen und in 20 Prozent zu einer definitiven Ablehnung der Kostenübernahme. Für Eltern von krebskranken Kindern, die auf lebensrettende Therapien hoffen, eine unerträgliche Situation.

 

Ihre Tochter erkrankte 2019 an einem Lungentumor. Was genau ist damals passiert?

In den Skiferien haben wir bemerkt, dass irgendetwas mit Finja nicht stimmte. Sie war schlapp, blass und schlief ständig ein. Das war sehr untypisch, weil sie sonst ein so aktives und sportliches Mädchen ist. Der Kinderarzt und das Spital dachten zuerst, es sei eine Lungenentzündung. Aber als sie nicht auf die Antibiotika ansprach, sind wir wieder in die Notfallaufnahme. Von da an ging alles sehr schnell. Als dann die Diagnose fiel, waren wir alle im Schockzustand. Finja hatte einen bösartigen Tumor in der Lunge, der sehr schnell wuchs und inoperabel war. Mein erster Gedanke war, wird meine Tochter sterben? Die Angst um sie hat uns komplett den Boden unter den Füssen weggezogen.

 

Wie ging es nach der Diagnose im Spital weiter?

Finja war in einer sehr schlechten Verfassung. Weil der Tumor inflammatorisch war, hatte sie ständig Fieber. Als dann die erste Chemotherapie begann, wurde es noch schlimmer. Sie musste sich ständig übergeben und hat extrem viel an Gewicht verloren. Irgendwann wollte sie dann auch nicht mehr sprechen. Sie verlor ihre ganze Lebensfreude und war nur noch apathisch. Es war schrecklich und ich habe mich als Mutter noch nie derart hilflos gefühlt, weil ich ihr all das nicht abnehmen konnte. Die Angst, dass sie es nicht schaffen würde, war riesengross.

 

Zu was haben die Kinderonkologen geraten, als die Standardtherapie bei Finja nicht anschlug?

Der Wendepunkt in der Therapie kam erst, als die Kinderonkologen nach einer zusätzlichen molekulargenetischen Analyse zum Ergebnis kamen, dass die erste Diagnose unzureichend war. Der Tumor wies eine seltene Genmutation auf. Weil er kaum auf die Chemotherapie ansprach, sondern sehr aggressiv weiterwuchs, musste die Behandlung abgebrochen werden. Aufgrund dieser neuen Diagnose schlugen die Ärzte eine zielgerichtete, medikamentöse Therapie mit Crizotinib vor. Dieses Arzneimittel war jedoch in der Schweiz nicht für Kinder zugelassen. Es gab zwar kaum Studien, aber Finjas Ärzte wussten von erfolgreichen Therapieversuchen in den USA, Kanada und Singapur. Für sie war klar, dass das Verhältnis von Nutzen versus Nebenwirkungen der konventionellen Chemotherapie eindeutig überlegen war. Wir haben wieder Hoffnung geschöpft.

 

Das Spital hat bei Ihrer Krankenkasse einen Antrag auf Vergütung im Einzelfall gestellt. Was war die Antwort?

Wir waren zunächst erleichtert, dass das Spital die Korrespondenz mit unserer Krankenkasse übernahm. Der Hammer kam, als die neue Therapie abgelehnt wurde, mit der Begründung, sie sähen keinen therapeutischen Nutzen. Das hat uns nochmals komplett den Boden unter den Füssen weggezogen. Eine solche Aussage bei einem todkranken Kind zu treffen, ist für mich nicht nachvollziehbar. Umso mehr, als die Kinderonkologen, die Finja behandelten, vom Gegenteil überzeugt waren. Ich war total wütend und verzweifelt. Wie konnte es sein, dass sie bereit waren, eine Chemotherapie zu bezahlen, die nicht anschlug und derartige Nebenwirkungen verursachte, dass Finja danach eine Woche lang stationär im Spital liegen musste? Dass die Krankenkasse nicht zahlen wollte, war ein Riesenschock für uns.

 

Wie war es dennoch möglich, dass das Medikament schliesslich rückvergütet wurde?

Wir hatten Glück. Finjas Ärzte haben unermüdlich für uns gekämpft und schliesslich erreicht, dass der Hersteller das Medikament für drei Monate gratis zur Verfügung stellte. Wäre das nicht passiert, hätten wir alles darangesetzt, die Kosten für das neue Medikament selbst zu finanzieren. Es war abgemacht, dass die Ärzte nach Ablauf zweier Monate der Krankenkasse Röntgenbilder schicken sollten, um zu sehen, ob die Therapie funktionierte. Und sie hat funktioniert! Finjas Tumor begann zu schrumpfen. Die Ärzte haben Röntgenbilder, Briefe und Gutachten an die Krankenkasse geschickt. Und dann kam endlich die Kostengutsprache. Uns fiel ein Stein vom Herzen, auch wenn die Zusage erstmal nur für ein paar Monate war.  

 

Was sollte sich Ihrer Meinung nach ändern?

Ich glaube, viele Eltern wissen nicht, dass die Vertrauensärzte der Krankenkassen (oder der IV a.d.R.) keine Kinderonkologen sind. Da urteilt vielleicht ein Allgemeinmediziner oder Psychiater über den Nutzen von hochmodernen und komplexen Krebstherapien bei Kindern. Wie kann das sein? Und je nach Kasse darf das eine Kind behandelt werden und das andere nicht? Hier entscheiden Ärzte über das Leben unserer Kinder, die nicht das notwendige Fachwissen haben. Das ist unfair und vor allem ungerecht. Deshalb fände ich es wichtig, dass gerade in schwierigen Fällen, wie bei meiner Tochter, fachkundige Spezialisten aus der Kinderonkologie hinzugezogen werden müssten. Das würde betroffene Eltern sehr erleichtern, weil sie die Sicherheit hätten, dass medizinisch alles getan wird, damit ihr Kind die bestmögliche Therapie erhält.

 

Finja hatte das Glück, die neue Therapie bewilligt zu bekommen. Wie erging es ihr mit der neuen Therapie.

Sie hat sich ziemlich schnell erholt und ist richtiggehend aufgeblüht. Das Fieber ging weg, die Farbe im Gesicht kam zurück, ebenso wie ihre Haare, die sie durch die Chemotherapie verloren hatte. Obwohl das neue Medikament auch stark war, hatte sie viel weniger Nebenwirkungen. Sie konnte das Spital verlassen und musste nur noch ambulant zur regelmässigen Kontrolle zurück. Auch wenn Finjas Immunsystem aufgrund der Therapie heruntergefahren war, hinderte sie das an nichts: sie konnte wieder lachen, rennen, mit ihrer Schwester und ihren Freundinnen spielen und vor allem zurück aufs Eis - zu ihrem heissgeliebten Sport. Heute fahren wir nach der Schule mehrmals die Woche zur Eiskunstbahn und Finja ist einfach nur glücklich. Das ist alles nur möglich, weil sie mit diesem neuen Medikament behandelt wurde und Finjas Ärzte einfach nicht bei der Krankenkasse lockergelassen haben. Dafür bin ich unendlich dankbar!

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